Das sagt die Jury:

Die Begründungen für die Hotlist-Preise 2021

Der mit 5000 Euro dotierte Preis der Hotlist geht 2021 an den Verlag CulturBooks für den Roman New York Ghost von Ling Ma. Das sagt die Jury:

 

Jeder Weltuntergang ist ein Unikat, doch jener, den die New Yorker Autorin Ling Ma in ihrem furiosen Debüt New York Ghost imaginiert, einer so tragischen wie hellsichtigen Satire aus dem Head Office des globalen Kapitalismus, ist nicht nur einzigartig, sondern auch erschreckend gegenwärtig in seiner Abgründigkeit. Das liegt nicht allein daran, dass hier – obwohl im Original vor Corona erschienen – eine von China ausgehende Pandemie, das Shen-Fieber-Virus, die Menschheit dahinrafft. Es hat vor allem damit zu tun, wie sich dieses Fieber auswirkt: Es friert Menschen in ihren Routinen ein, über denen sie verfallen. So erweist es sich zugleich als Parodie dessen, was der weltweit siegreiche Neoliberalismus mit der Menschheit angestellt hat, gerade auch in den Zentren des großen Gelds. Mit der Protagonistin und Ich-Erzählerin Candace Chen, der klugen Einwanderertochter und Mitarbeiterin bei einem Verlagsdienstleister am Times Square, glückt der Autorin das detailgenaue Porträt einer Vertreterin der von Ziellosigkeit, Langeweile und Selbstbelohnung durch Konsum geprägten Schicht urbaner Millennials, die ganz in ihren entfremdeten Arbeitsroutinen aufgehen. Gegen das neue Virus immun, dokumentiert Candace den nur allmählich begriffenen Niedergang der Gesellschaft, bevor sie in einer Gruppe Überlebender landet, die aber von den Fehlern der fulminant gescheiterten Zivilisation nicht lassen kann. Ling Ma ist mit diesem Buch ein popliterarisch rasanter wie hintersinnig allegorischer Pandemieroman auf Weltniveau gelungen, den ein tiefes Verständnis für migrantische Lebensläufe sowie viel köstliche Selbstironie auszeichnen und der von Zoë Beck mitreißend übersetzt wurde. Für diese Entdeckung der Stunde gebührt dem Hamburger Verlag CulturBooks großer Dank.

 

Der Limmat Verlag erhält für den Band mit Erzählungen Fern von hier von Adelheid Duvanel den Dörlemann ZuSatz und damit einen Satzkosten-Gutschein im Wert von 1500 Euro von der Firma Dörlemann Satz. Das sagt die Jury:

 

Adelheid Duvanel (1936-1996) ist eine Weniggelesene geblieben, obwohl viele auf die konzentrierte Wucht ihrer Kurzprosa hingewiesen haben. Letzteres zu Recht, denn kein Wort ist bei dieser Autorin überflüssig, keines zufällig gesetzt. Bevölkert sind Adelheid Duvanels Prosaminiaturen von Alleinerzieherinnen, Verlassenen, Einsamen und Traumatisierten aller Art. Das Glücksguthaben dieser „Welt-Waisen“, die sich „nicht an das Hiersein gewöhnen können“, scheint aufgebraucht. Doch immer wieder stellt die Autorin diesen realistisch beschriebenen Schicksalen eine die inneren Grenzen sprengende Ebene des Halluzinierten, des Traums und des Surrealen entgegen. Und plötzlich wird eine Leichtigkeit spürbar – und die Kraft der Worte, „die über der großen Leere, über dem Abgrund, in den mein Leben gefallen ist, eine neue Welt schaffen können“. Der Limmat Verlag macht mit dem von Elsbeth Dangel-Pelloquin herausgegebenen Band „Fern von hier“ das gesamte erzählerische Werk Adelheid Duvanels wieder greifbar. Das ist eine verlegerische Großtat und eine Ermutigung, diese Schriftstellerin weiter- oder neuzulesen.

 

Ganz herzlichen Glückwunsch!