Buch des Monats Oktober: Max Herrmann-Neiße und Leni Herrmann, "Liebesgemeinschaft in der Fremde"

Die Darmstädter Jury hat Liebesgemeinschaft in der Fremde von Max Herrmann-Neiße und Leni Herrmann, herausgegeben von Christoph Haacker, zum Buch des Monats Oktober gewählt. Es ist im Arco Verlag erschienen.

 

"London, 8. April 1941. Eine Frau nimmt Abschied von ihrem Mann. Es ist die "vielleicht am meisten umdichtete Frau der deutschen Literatur" – und er "der meistgemalte Mann". Die Rede ist von Leni und Max Herrmann- Neiße. Sie groß, blond, eine Schönheit. Er ein verwachsener Gnom mit Buckel, überlangen Händen und großem, kahlen Schädel. Schon in der Heimatstadt Neiße war das Paar Klatschthema Nr. 1. Gemeinsam durchlebten sie die zwanziger Jahr in Berlin. 1933 entschieden sie sich, Hitler-Deutschland zu verlassen – fortan als "Liebesgemeinschaft in der Fremde". In Zürich fühlten sie sich wie Zuhause, aber die Fremdenpolizei hatte etwas dagegen. Im Londoner Exil lebten sie zu dritt, als Lebensgemeinschaft mit einem Juwelier; next door war das Liebesnest, in dem der englische Thronfolger mit seiner Geliebten Wallis Simpson verkehrte.

Die hier gesammelten Gedichte laden dazu ein, den großartigen Dichter Max Herrmann-Neiße endlich wieder zu lesen, der es wie sonst vielleicht nur Theodor Kramer verstand, in traditionellen Formen alles auszudrücken. Seine Lyrik beschreibt wie keine andere die Exilerfahrung, seine Liebesgedichte sind Spiegel der innigen Beziehung zu seiner Frau Leni.

 

Leni Herrmann schrieb ihre hier erstmals publizierten "Aufzeichnungen über die letzten Tage von Max Herrmann" einem gemeinsamen Freund in Deutschland. Sie zeigen den Alltag eines Exildichters in Zeiten der deutschen Luftangriffe auf London und sind ein liebevolles, berührendes Dokument über Partnerschaft, Pflege und Abschied." (Verlagstext)

 

Zum Autor und zur Autorin: Max Herrmann-Neiße (1886–1941) – Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Kritiker – war eine schillernde Figur der Berliner Bohème, befreundet mit u. a. George Grosz. Daneben blieben Schlesien und Schlesier wie Franz Jung oder Alfred Kerr zeitlebens wichtige Bezugspunkte. Mit Gleichgesinnten gründete Max Herrmann 1934 in London den "Exil-PEN" als Reaktion auf den gleichgeschalteten deutschen PEN. Zu den engen Freunden gehörte dort Stefan Zweig. – Nach dem Tod ihres Manns heiratete Leni Herrmann den Freund und Mitbewohner Alphonse Sondheimer und nahm sich nach dessen Tod, 1960, das Leben.

 

  • Max Herrmann-Neiße/Leni Herrmann, Liebesgemeinschaft in der Fremde. Gedichte und Aufzeichnungen. Herausgegeben von Christoph Haacker. 110 Seiten, Paperback. Arco Verlag, Wuppertal und Wien 2012. 16,00 Euro 

Zur Darmstädter Jury: Seit 1952 trifft sich regelmäßig eine unabhängige Jury aus Schriftstellern, Journalisten und Literaturkritikern, um aus der Vielzahl der Neuerscheinungen ein Buch besonders hervorzuheben, dessen literarische Qualität es verdient, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Aktuell gehören der Darmstädter Jury Meike Feßmann, Wilhelm Genazino, Peter Härtling, Ina Hartwig, Oliver Jungen, Rolf Michaelis, Wilfried F. Schoeller, Gerhard Stadelmaier u. a. an.

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