Georges Perec und Harry Mathews (1)

 

Der Verlag diaphanes, Zürich und Berlin, hat im vergangenen Jahr verdienstvollerweise eine Georges Perec-Werkausgabe gestartet. Als erstes erschien W oder die Kindheitserinnerung (März 2012), dann Ein Mann der schläft (Juli 2012), und zuletzt Anton Voyls Fortgang (Februar 2013). Für September ist der Band Träume von Räumen angekündigt, die Verlagsvorschau zitiert daraus den schönen Satz: "Man begegnet überall Leuten, die Uhren haben, und sehr selten Leuten, die Kompasse haben."

In Deutschland waren es vor allem der Suhrkamp Verlag und der Bremer manholt verlag, die sich um Perec verdient gemacht haben.

Der manholt verlag, auf Editionen französischer Literatur spezialisiert, ist leider nicht mehr existent - was nicht hundertprozentig stimmt, denn der einstige manholt-Verleger Dirk Hemjeoltmanns verantwortet seit 2004 die edition manholt im dtv, die sich der französischen Literatur vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart widmet. Bisher sind Bücher von Dominique Barbéris, Philippe Besson, Jean-Paul Dubois, François Gantheret, Philippe Grimbert, Michèle Lesbre und Christian Pernath erschienen.

Von dieser Stelle Dank an die geleistete Pionierarbeit!

 

Anton Voyls Fortgang

 

"1969 als Resultat einer Wette entstanden, taucht in Perecs wohl außergewöhnlichstem Werk La Disparition kein einziges Mal der Buchstabe E auf. Der Roman zeigt, was mit Sprache möglich ist, wenn nicht mehr der Autor erzählt, sondern – durch das Korsett einer strengen Regel – die Sprache selbst. Ausgehend vom verfügbaren Wortmaterial hat sich die Geschichte, haben sich die Personen und die Handlung zu entwickeln. Zwischen Revolutionskomödie, Rätseln, die auf Rätsel folgen, und turbulenter Kriminal­parodie schimmern Gewaltexzesse und der nackte Terror hervor. Doch der Terror, der hier herrscht, hat Methode, und zwar linguistische Methode, indem er durch Sprach­manipulation entsteht. Und so manifestiert sich das allmähliche, fast ausnahmslos grau­same Verschwinden einer ganzen Sippe im verschwundenen Buchstaben. Anton Voyls Fortgang, die deutsche Übersetzung von Eugen Helmlé, ist ein Abenteuer, das kaum seinesgleichen kennt. Die Schwierigkeit des Originals, das Sprachkorsett, wird dem Übersetzer zur Zwangsjacke, so Helmlé in seinem unbedingt lesenswerten Nachwort: "Er kann nicht mehr die Sprache selbst erzählen lassen, denn dann wäre sein Text keine Übersetzung mehr... dabei hat der Übersetzer nicht nur einen Kiesel im Mund, sondern gleich einen ganzen Pflasterstein."

(Text: diaphanes)

 

  • Georges Perec, Anton Voyls Fortgang. Roman. Aus dem Französischen von Eugen Helmlé. Mit einem Nachwort von Eugen Helmlé und Ralph Schock. 416 Seiten, Broschur. diaphanes, Zürich und Berlin 2012. 14,95 Euro

 

Aktueller Veranstaltungshinweis:

 

Buchvorstellung Perec: Anton Voyls Fortgang

23.7.2013, 20.00 Uhr

Ort: Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125, 10115 Berlin

 

Dr. Ralph Schock (Saarländischer Rundfunk) und Dr. Gernot Krämer (Sinn und Form) im Gespräch über Anton Voyls Fortgang von Georges Perec.

 

Für die des Französischen Kundigen hier ein Interview, das Viviane Forrester 1976 mit Georges Perec geführt hat (25:52 Minuten):

 

 

Im nächsten Eintrag dann mehr zu Dee Weedergenger, und die Auflösung der Frage, was Harry Mathews hier zu suchen hat.

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