Karlheinz Stockhausen 1928-2007-2013

 

Am 22.8.2013 jährte sich zum 85. Mal der Geburtstag von Karlheinz Stockhausen, über dessen 75. Geburtstag 2003 die großen Zeitungen bereits Stillschweigen vereinbart hatten, als Strafe für Stockhausens nonkonforme Äußerungen zu den Geschehnissen des 11.9.2001.

 

Besonders das Wort von der Ästhetik der Fernsehbilder und dem angeblichen Kunstcharakter der Tat war Stockhausen übelgenommen worden.

Die es ihm aber übelnahmen, versammelten sich alljährlich heiligmäßig vor dem Fernseher und konnten sich an den Bildern nicht sattsehen.

 

Neue Musik aus religiösem Geist

 

"Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle Musiker glauben an Bach."

Mauricio Kagel

 

Das Jahrmarktsflugzeug, das den Umschlag des Buchs Neue Musik aus religiösem Geist ziert, ist selbstverständlich absolut friedlich, ja kindlich. Wie könnte es anders sein, handelt Thomas Ulrichs im Pfau Verlag erschienene Monographie doch von "Theologische[m] Denken im Werk von Karlheinz Stockhausen und John Cage". (Die religiösen Implikationen von Cages Komponieren ließen György Ligeti streng urteilen: "Seine Musik ist eigentlich nicht anhörbar. Nur wenn man die zen-buddhistische Weltanschauung akzeptiert, macht sie einen Sinn[.]".)

"Karlheinz Stockhausen und John Cage haben die Musik nach 1950 wesentlich bestimmt. Beide verstehen ihr Schaffen religiös. Diese Studie nimmt das beim Wort und arbeitet in einer detaillierten theologischen Analyse der Kompositionen und ästhetischen Konzepte zwei Strukturtypen religiöser Verwirklichung heraus.

Stockhausens Entwicklung geht von einem metaphysischen Gottesbegriff aus; die Auseinandersetzung mit dessen Aporien treibt den Gestaltwandel seines Schaffens an und führt ihn schließlich zur Anerkennung von Geschichte und Inkarnation in seinem Musiktheaterzyklus "LICHT".

Cage sieht Musik als Werkzeug, um Gottes Gegenwart wahrzunehmen; er hat zahlreiche Verfahren erfunden, dies im Œuvre zu verwirklichen."

(Text: Pfau Verlag)

  • Thomas Ulrich, Neue Musik aus religiösem Geist. Theologisches Denken im Werk von Karlheinz Stockhausen und John Cage. 258 Seiten, Broschur. Pfau Verlag, Saarbrücken 2006. 25,00 Euro

Für einen Literatur-Blog wie diesen ist das Thema Sprache als Musik von besonderem Interesse. Neben Karlheinz Stockhausen sind Hans G Helms, Mauricio Kagel, Dieter Schnebel und György Ligeti Gegenstand der Klüppelholz'schen "Studien zur Vokalkomposition". Es handelt sich hierbei um Klüppelholz' Dissertationsschrift (1976), die erstmals 1978 publiziert wurde und nun in zweiter Auflage im Pfau Verlag vorliegt (1995).

 

"Was die Studie von Werner Klüppelholz von vielen anderen Untersuchungen zu diesem Themenkomplex unterscheidet, ist die Tatsache, daß sie profunde Kenntnisse neuerer sprachwissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse einbezieht und damit neue Einsichten über die Beziehung und gegenseitige Durchdringung von Sprache und Musik formuliert - dieses Buch darf schon jetzt als Standardwerk über diesen Sektor avantgardistischen Komponierens verstanden werden, gerade auch weil es sich nicht im Detail verliert, sondern sich exemplarisch auf einige wichtige Werke stützt und dabei die historische Einordnung nicht außer Acht läßt."
Wulf Konold (Radio Bremen 1977)

 

Einen hervorragenden Eindruck von musikalisierter (Phantasie-)Sprache gibt folgender Ausschnitt [2:16 Min] aus Ligetis Nouvelles Aventures (1962/65) für drei Sänger und sieben Instrumentalisten.

  • Werner Klüppelholz, Sprache als Musik. Studien zur Vokalkomposition bei Karlheinz Stockhausen, Hans G Helms, Mauricio Kagel, Dieter Schnebel und György Ligeti. 152 Seiten mit Notenbeispielen, Broschur. Pfau Verlag, Saarbrücken 1995. 18,50 Euro
 
Musikmetropole Köln
 

In dem Band Musikmetropole Köln, der dies Frühjahr bei Dittrich erschienen ist, kommt Stockhausen natürlich auch vor, doch steckt Peter Fuhrmann den Rahmen historisch und stilistisch weit ab, und so ist zwar durchaus vom berühmten Elektronischen Studio des Westdeutschen Rundfunks die Rede, aber eben auch von Klaus dem Geiger, den Bläck Fööss oder Reinhard Goebel, dem Leiter der Musica Antiqua Köln, Violinist ganz anderen Kalibers.

 

Es ist sicher interessant und anregend, die Musikstadt Köln in dieser ganzen Bandbreite zu erleben und zu erlesen, zumal die Unterteilung in Sparten sowieso eine Maßnahme der Musikindustrie ist.

Stockhausen jedenfalls hat, wenn ich nicht irre, in jungen Jahren als Jazzpianist gearbeitet, in späteren trat er mit Aphex Twin auf, den die Tatsache, dass der Meister zur "E-Musik" gehörte, nicht abgehalten hat, ihn zu mögen, und so auch The Beatles, Can, Zappa, Björk, Sonic Youth, DJ Spooky und viele andere.

  • Peter Fuhrmann, Musikmetropole Köln. 156 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Dittrich Verlag, Berlin 2013. 19,80 Euro

Ich hänge im Triolengitter

 

Zwar in keinem Indie-Verlag erschienen, seien der Vollständigkeit halber hier dennoch auch erwähnt die Erinnerungen von Mary Bauermeister.

 

"Karlheinz Stockhausen ist einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und Pionier der elektronischen Musik. Mary Bauermeister wirft in ihren Erinnerungen an Karlheinz Stockhausen erstmals einen ganz persönlichen Blick auf den großen Musiker. Sie schildert, wie sich beide [...] künstlerisch beeinflusst haben, erzählt aber auch von bedingungsloser Liebe, Eifersucht und unerfüllt bleibenden Utopien, die diese außergewöhnliche Beziehung begleitet haben. Sie berichtet von den Reisen, die sie beide gemeinsam rund um den Globus machten, den Begegnungen mit fremden Kulturen, landestypischer Musik und berühmten Künstlern und Musikern wie Leonard Bernstein, Marcel Duchamp und Max Ernst."

(Text: Random House)

 

Über Mary Bauermeisters Atelier in der Lintgasse in Köln gibt es auch einen sehenswerten Animationsfilm.

 

  • Mary Bauermeister, Ich hänge im Triolengitter. Mein Leben mit Karlheinz Stockhausen. 336 Seiten, Broschur. btb Verlag, München 2013. 10,99 Euro

 

 

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