2014 erscheint, im Suhrkamp Verlag, ein neuer Roman von Svenja Leiber, wie Leibers minimalistisch aufgezogener Internetpräsenz zu entnehmen ist (bei Literaturport steht's auch).
Leiber gehört zu jenen ernsten Autoren, die über Jahre keinen Mucks machen, und dann kommen sie eines Tages mit einem Buch um die Ecke, das sich gewaschen hat, rasend gut geschrieben.
Da setzt man sich dann gerade auf den Stuhl, reibt sich die Augen, schlägt noch mal prüfend auf, stakt mit dem Finger durch die Seiten, kommt zum Schluss: Tja, sehr, sehr gut, da gibt es nichts!
Zwei solcher Bücher hat Leiber bisher geschrieben.
Büchsenlicht, ihr Debüt von 2005, enthält dreizehn Erzählungen, wuchtig, herb, lapidar, brutal.
Der Roman Schipino, 2010, ist eine deutsch-russische Geschichte (wie schon "Vermißling" in Büchsenlicht).
Eine bekannte Kritikerin konstatierte etwas verquält: "Man kann nicht verhehlen, dass diese Geschichte einen ganz starken Sog entwickelt."
So ist es.
Doch der Reihe nach.
Büchsenlicht
"Frau Leites kocht Holunderblütensaft in leere Kornflaschen ein, und die Jugend verblüht am Glascontainer, während auf der Pappelkoppel die Drillmaschine aufsetzt und der Edeka-Laster auf dem Buswendeplatz hupt.
In der norddeutschen Provinz wird geliebt, geheiratet, gemordet und gestorben, und fast jeder ist schon mal über ’nen Appelkorn gestolpert. Sei es Tönnes, der zwei Meter hohe Wutausbruch, oder die weitäugige Polizistentochter, die was mit dem Reitlehrer hat.
Svenja Leibers Figuren haben den Landregen im Gemüt. Da verliebt sich Heide Raschpichler in Hans Daleckie, nur weil ihr zu ihm kein passendes Tier einfällt, und die Spätaussiedlerin Greta bewirtet die Landfrauen mit Haribo und Daim, bevor sie dem Großbauern einen Korb gibt.
Büchsenlicht ist ein Kanon, ein verregnetes Lied aus dem Norden. Hier, wo die Menschen mit Treckerreifenhaut ihre Wurzeln geschlagen haben, drohen andere auf den morastigen Äckern ins Bodenlose zu versinken. Landidyll oder Lebensknast, das müssen Einheimische wie Zugereiste für sich entscheiden – und Jammern gilt nicht."
(Text: Ammann Verlag/Schöffling & Co.)
"Die Lücken, die Leere, die Kälte: all das fängt Svenja Leiber mit ihrer raffiniert ungekünstelten und ungelenken Sprache ein, die so direkt ist wie das Beil, das ein jähzorniger Familienvater in
den Küchentisch haut – voller Bedauern, statt des Tisches nicht seinen Schwager erwischt zu haben."
Friedhelm Rathjen, Frankfurter Rundschau
- Svenja Leiber, Büchsenlicht. Erzählungen. 160 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2005. 18,95 Euro
Die Taschenbuchedition des (vor zwei Jahren in bloomsbury taschenbuch umbenannten) Berliner Taschenbuch Verlags (bvt) ist vergriffen, vielleicht aber noch in manchen Buchhandlungen vorfindbar. Es steht zu vermuten, dass Suhrkamp eine Neuausgabe vorbereitet.
Schipino
"Schipino liegt weit im Abseits. So weit, dass es kaum zu erkennen ist."
"Schipino: vier Datschen in der Nähe einer maroden Kolchose. Eine Handvoll Menschen, ein Klavier und ein Gasherd auf einem Hügel mitten im Wald, umringt von Sümpfen und Seen.
Jan Riba ist aus seiner Welt gefallen und hier gelandet. Er hat sein Büro in Deutschland abgeschlossen und ist in den Zug nach Moskau gestiegen, zu seinem Freund Viktor, der ihm den russischen
Sommer zeigen will. Zusammen sind sie nach Schipino gekommen, haben sich auf dem Heuboden eingerichtet und sich in das Leben der anderen gefügt.
Da sind Wassili, der launische Forscher, schön wie eine Frau; der glatzköpfige Pawel und die dünne Anna. Tolik mit dem Klavier. Darja, die in ihrem Kummer Kleider näht, und Lilja, die wie ein
flüchtiger Gast in den Holzhäusern ein und aus geht.
Und ganz Schipino wartet auf Mascha, deren Schicksal untrennbar mit diesem Ort und seinem Sterben verknüpft scheint.
Svenja Leiber ist eine Erzählkünstlerin, die Landschaften, Stimmungen und Situationen aus wenigen Worten entstehen lässt und ihren Figuren tief ins Herz schaut. Schipino ist ein Roman
von geradezu magischer Sprachkraft über die Suche nach Atem in einer atemlosen Zeit."
(Text: Schöffling & Co.)
"Svenja Leiber siedelt ihren Roman in einer Zwischenwelt an. Zwar trägt er realistische Züge, etwa wenn es um Nachwirkungen der sowjetischen Planwirtschaft geht, um Hinweise auf
Tschernobyl oder darum, dass Ribas Großvater während des Zweiten Weltkriegs als Soldat in der Gegend war, sie werden aber meist ins Mythische transponiert. [...] Am ehesten lässt sich
Schipino als Nachruf auf jenes Phänomen lesen, das man einmal 'Sommerfrische' nannte: eine Auszeit, bei der man wieder zu Kräften kommt."
Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung
- Svenja Leiber, Schipino. Roman. 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2010. 18,95 Euro
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