Friedenauer Presse 1963-2013 und weiter. Die neuen Bücher

Einband: Horst Hussel
Einband: Horst Hussel

"WILLKOMMEN BEI DER FRIEDENAUER PRESSE" heißt es auf der Website des, hinsichtlich Personal, Budget und Umsatz, kleinen Berliner Verlags, der in Wahrheit natürlich ein grandioser Verlag ist, der ohne viel Aufhebens Großes auf die Beine stellt. Ein Gutteil des Ruhms gebührt der Verlegerin Katharina Wagenbach-Wolff, die das Haus seit 1983 leitet.

Die Bücher der Friedenauer Presse haben tatsächlich alle etwas überaus Einladendes, woran die Gestaltung der Bucheinbände durch Horst Hussel ihren besonders hervorzuhebenden Anteil hat.

 

Dies Jahr gibt's etwas Besonderes zu feiern:

 

"Gegründet von Andreas Wolff 1963 im Berliner Stadtteil Friedenau, kann der Verlag 2013 sein 50-jähriges Bestehen feiern. Seit 1983 führt die Tochter des Verlagsgründers, Katharina Wagenbach-Wolff, den Verlag.

Die Aufgaben, die sich der Verlag gestellt hat, spiegeln sich in seinem Buchprogramm wieder:
Lyrik, Essays und Romane den Lesern zugänglich zu machen und dem Vergessen zu entreißen, die Leser auf bisher nicht übersetzte und veröffentlichte Werke, oftmals aus dem Russischen, aufmerksam zu machen sowie eine sorgfältige Buchgestaltung, ohne den Anspruch, Luxusprodukte herzustellen."

(Presseinformation der LKG / Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft)

 

Klug beschränkt sich Wagenbach-Wolff auf drei Reihen: die Winterbücher, die Presse-Drucke und die Wolffs Broschuren. Im Oktober erscheinen die neuen Bücher, ein Winterbuch, zwei Presse-Drucke. Leonid Dobyčin, Robert Louis Stevenson und Ambrose Bierce sind die Autoren – den ersten würde man ohne das Engagement der Verlegerin und des Übersetzers Peter Urban in Deutschland gar nicht kennen.

 

Leonid Dobyčin, Die Erzählungen

 

"1987 wurde Joseph Brodsky, frisch gekürter Nobelpreisträger für Literatur, von Studenten gefragt, welchen russischen Prosaschriftsteller er im XX. Jahrhundert für den bedeutendsten halte. Brodsky zögerte mit einer Antwort, und als ihm Namen wie Babel, Bulgakov und Platonov zugeraunt wurden, sagte er schnell und bestimmt: "Dobyčin. Leonid Dobyčin", einen Autor, der selbst in Rußland den wenigsten bekannt war. An ihm – er lebte 1894 bis 1936 – bestachen Brodsky die "Gogolsche Kraft", "das geschärfte Gefühl für die Semantik", die "Proustsche Aufmerksamkeit für das Detail (das in seiner Bedeutung die Hauptsache überwuchere)" und eine "starke Joycesche Note", bezogen wohl vor allem auf The Dubliners.

 

Alle diese Eigenheiten erkannte Brodsky an Dobyčins Roman Die Stadt N. (1935): "Leben in der Provinz. Alles geschieht wie immer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht. Geschehen war, übrigens, die Revolution."

 

Die hier vorgelegten kurzen Erzählungen Dobyčin – sie erschienen zwischen 1924 und 1930 verstreut in literarischen Zeitschriften und Almanachen Leningrads – bilden so etwas wie das Manifest des erzählerischen Stils dieses Autors, der sich im übrigen theoretisch nie geäußert hat, es sei denn in aphoristischen Bemerkungen in Briefen. Dobyčins Erzählstil ist geprägt von Puškins Diktum über die künstlerische Prosa: "Genauigkeit und Kürze" wie von Anton Čechovs Forderung nach "äußerster Kürze".

[...] Dobyčin rückt die Gattung der Prosaminiatur an die Grenze zum epischen, bisweilen sogar lyrischen Gedicht."

(Text: Friedenauer Presse)

  • Leonid Dobyčin, Die Erzählungen. Aus dem Russischen übersetzt und herausgegeben von Peter Urban. 152 Seiten, gebunden. Friedenauer Presse, Berlin 2013. 22,50 Euro – erscheint im Oktober 2013
Das von Horst Hussel entworfene Verlagssignet
Das von Horst Hussel entworfene Verlagssignet

Ambrose Bierce, Die Luftspiegelung

 

"Wenn es in der Literatur eine "Furie des Verschwindens" gab, dann war dies Ambrose Bierce. Amerikanische Viten versehen sein Todesjahr 1914 mit einem Fragezeichen und weisen ihn so als Verschollenen aus. Sein letztes Lebenszeichen gab Ambrose Bierce in einem Brief vom 26.12.1913: "Was mich betrifft, so verlasse ich morgen diesen Ort mit unbekanntem Ziel." Da befand er sich auf mexikanischem Boden und begleitete die Truppen des Revolutionsführers Pancho Villa. Vermutlich ist er in Gefechten ums Leben gekommen. Auch wird ein Selbstmord nicht ausgeschlossen, schrieb Bierce doch unter dem Titel Taking Oneself Off eine Apologie darauf.

Quelle: Wikimedia Commons
Quelle: Wikimedia Commons

Unstrittig ist, daß Ambrose Bierce 1842 in einer landwirtschaftlichen Ansiedlung in Ohio (Horse Cave Creek) als zehntes von dreizehn Kindern geboren wurde, (deren Vornamen alle mit A anfingen). Trotz der reichhaltigen Bibliothek seines Vaters, die er bereits im Alter von 10 konsultierte, setzte er sich mit 15 von seiner Familie ab, da ihm deren strenge Religiosität mißfiel, und wurde früh journalistisch tätig. Auf Seiten der Union nahm er am amerikanischen Bürgerkrieg teil, diese Erfahrungen schlugen sich in Erzählungen nieder. Er übte sich in die Kunst des Verschwindens ein, als er die Mysterious Disappearances schrieb, Geschichten, die ein wenig an Edgar Allen Poe erinnern. Berühmt wurde er durch das ketzerische Wörterbuch des Teufels, doch literarisch am bedeutsamsten ist seine Erzählung "Ein Vorfall an der Owl-Creek-Brücke".

Einband: Horst Hussel
Einband: Horst Hussel

Wir stellen hier vier noch nicht auf Deutsch erschienene Texte vor, die den spöttischen, sarkastischen bis zum Makaberen gehenden Bierce zeigen, der auf verwirrende und anregende Weise sein Faible für Technologien mit Fortschrittszweifeln verknüpft."

(Text: Friedenauer Presse)

 

Ambrose Bierce, Die Luftspiegelung und weitere schräge Sichten. Aus dem Englischen (USA) übersetzt und herausgegeben von Rainer G. Schmidt. 32 Seiten, fadengeheftete Broschur. Friedenauer Presse, Berlin 2013. 9,50 Euro – erscheint im Oktober 2013

Robert Louis Stevenson, Aussatz

 

"Robert Louis Stevenson (1850–1894) wurde nur 44 Jahre alt und hinterließ ein umfangreiches Werk von Reiseerzählungen, Abenteuerliteratur und historischen Romanen.
Als er 1888 mit seiner Familie Europa verließ, war er durch den Roman Die Schatzinsel (1883) – mittlerweile ein Jugendbuchklassiker – und die Schauergeschichte Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde (1886) bereits bekannt.

Die Sommer verbrachte er meist mit Reisen, die Winter mit Studien und Schreiben.

 

Nach mehreren Aufenthalten in den Vereinigten Staaten und auf den Marquesas fuhr er im Juni 1888 nach Hawaii, Ende 1889 besuchte er erstmals Samoa, wohin er 1890, nach einer Reise über die Gilbertinseln und Sydney, zurückkehrte. Er erwarb dort eine Plantage und ein Wohnhaus und lebte bis zu seinem frühen Tod auf der Insel.

Einband: Horst Hussel
Einband: Horst Hussel

Stevenson hatte bei seinem fünfmonatigen Hawaii Aufenthalt der Lepra-Station von Molokai einen achttägigen Besuch abgestattet, obwohl er sich, selbst schwer lungenkrank, damit in Gefahr begab. Er hatte dort vom Schicksal des kurz zuvor verstorbenen katholischen Priesters Damian erfahren, der sich bei seiner aufopferungsvollen Arbeit für die Kranken selbst infiziert hatte.

Danach war Stevenson ein Brief zugänglich geworden, den Dr. Hyde, ein Geistlicher der presbyterianischen Kirche (der auch Stevenson angehörte), an einen Kollegen geschickt hatte und der Pater Damian übel verleumdete. Stevenson schrieb eine vehemente und hochgradig poetische Verteidigungsrede in Form eines Offenen Briefes an Dr. Hyde, dessen Veröffentlichung großes Aufsehen erregte. Der als Heuchler bezichtigte Hyde versuchte sich dadurch aus der Affäre zu ziehen, daß er Stevenson als "verrückten Bummelanten" beschimpfte. Der Offene Brief an Ehrwürden Hyde, auf Englisch 1890 unter dem Titel Father Damien veröffentlicht, erscheint hier zum ersten Mal auf Deutsch."

(Text: Friedenauer Presse)

 

  • Robert Louis Stevenson, Aussatz. Ein Offener Brief an Ehrwürden Hyde. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Rainer G. Schmidt. 32 Seiten, fadengeheftete Broschur. Friedenauer Presse, Berlin 2013. 9,50 Euro – erscheint im Oktober 2013

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