60 mal 140 Zeichen

Foto: Marion Ettlinger
Foto: Marion Ettlinger

Handy-Romane kennt man schon länger aus Asien, auch einen Facebook-Roman gab es schon und nun auch noch Twitter. Die Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan hat einen Roman über den "New Yorker" komplett über Twitter veröffentlicht. "Black Box" heißt es und die Handlung, die sich im Agenten-Milieu ansiedelt, lebt dabei von kurzen, knackigen Absätzen - keiner länger als 140 Zeichen. Ab kommenden Montag will das Kulturressort vom Spiegel über seinen Twitter-Account (#spiegel.rezens) das Buch ebenfalls "zwitschern". An insgesamt 10 Tagen sollen jeweils 60 Tweets abgesetzt werden. 

Hier ein paar Beispiele:

 

"Schließ die Augen und zähle langsam von zehn rückwärts."

"Stell dir bei jeder Zahl vor, dass du dich von deinem Körper löst und jeweils einen Schritt weiter von ihm entfernst."

"Bei acht solltest du dich knapp außerhalb deiner Haut befinden."

"Bei fünf solltest du einen halben Meter über deinem Körper schweben und wegen des Geschehens höchstens noch eine diffuse Unruhe empfinden."

"Bei drei solltest du dich völlig von deinem physischen Ich abgekoppelt haben."

"Bei zwei sollte dein Körper in der Lage sein, ohne deine Mitwirkung zu agieren und zu reagieren."

"Bei eins sollte dein Geist so frei umherschweifen, dass dich nicht mehr interessiert, was sich unter dir abspielt."

"Weiße Wolken ziehen majestätisch dahin."

 

Das kann man nun innovativ finden, oder eben auch an den Haaren herbeigezogen. Ob 140 Zeichen ausreichen, um all das auszudrücken, wofür andere Autoren ganze Seiten brauchen, müssen letztendlich die Leser entscheiden. Medienaufmerksamkeit war der Autorin indes sicher. Und damit dieses Projekt nicht in der Versenkung verschwindet, sich in ein paar Tagen niemand mehr erinnern kann und auch kein Verleger oder Buchhändler sauer wird, gibt es den Roman ab dem 7. August (auf Deutsch) auch als gedrucktes Buch zu kaufen.

 

Alexander Schulz

 

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