Kamel Daoud, Minotaurus 504

 

Der persona verlag in Mannheim gibt jedes Jahr ein Buch heraus, genau eines. Es versteht sich von selbst, dass bei einer derartigen Handverlesenheit jede Veröffentlichung eine Empfehlung der Verlegerin darstellt.

Das persona-Buch des Jahres 2012 ist algerischer Herkunft,  und es scheint mir die Entdeckung wert.

 

Minotaurus 504

 

"Vier Personen erheben ihre Stimme: Ein in die Jahre gekommener Taxifahrer warnt in seinem klapperigen Peugeot 504 die Fahrgäste vor der Hauptstadt, die ihm seine Illusionen geraubt hat. Ein ehemaliger Luftwaffenoffizier hat mit eigenen Händen ein Flugzeug gebaut, das er auf der internationalen Messe in Algier ausstellt, doch es interessiert sich niemand dafür. Ein junger Algerier nimmt am 10 000−Meter−Lauf der Olympiade in Athen teil und kann nicht aufhören zu laufen. Ein Ghostwriter, der die Erinnerungen eines alten Analphabeten aufschreiben soll, fällt aus seiner Rolle und verändert den Text nach Gutdünken.

Verloren im Labyrinth ihrer Obsessionen, verfolgen diese "Helden" unermüdlich ihr Ziel. Sie kämpfen, um ihrem Dasein einen Sinn zu geben. In Daouds Erzählungen wird sichtbar, warum es in Algerien nach zehn Jahren Bürgerkrieg und weiteren zehn Jahren politischen Stillstands keinen "Frühling" gibt wie anderswo und weshalb Zehntausende junger Männer ihr Leben riskieren, um Europa über das Mittelmeer zu erreichen.

In Deutschland und Algerien wissen wir zu wenig voneinander. "Ich freue mich über die deutsche Ausgabe", schreibt Kamel Daoud, "in der Hoffnung, Ihre Leser mit einem imaginären Algerier und Araber bekannt zu machen."" (Text: persona verlag)

Zur Entstehung des Buches bzw. seiner deutschen Übersetzung schreibt Lisette Buchholz:

 

"Als im Herbst 2011 der Pariser Verlag Sabine Wespieser mir seine Vorschau schickte, fühlte ich mich gleich von Kamel Daoud angezogen. Seine Erzählungen schienen mir ebenso ungewöhnlich wie wichtig zu sein. In der Übersetzung von Sonja Finck hat sich dieser erste Eindruck bestätigt."

 

Und über den Autor, hierzulande noch unbekannt:

 

"Kamel Daoud wurde 1970 in der algerischen Hafenstadt Mostanagem geboren. Er begann seine journalistische Laufbahn als Straßenreporter und ist heute Chefredakteur des Quotidien d’Oran, in dem er die Kolumne "Raïna Raïkoum" ("Meine Meinung, Eure Meinung") veröffentlicht. Kamel Daoud bietet, wie er es nennt, "eine tägliche Dosis Subversion" an. [...] Seine Stimme ist ebenso eigenwillig wie ausdrucksvoll, seine Texte sind durch einen lebendigen, poetischen Stil und politischen Scharfsinn geprägt. [...]

Mit Minotaurus 504 macht der persona verlag das deutsche Publikum erstmals mit einem Autor bekannt, dessen sozial−politische Analysen und klare Sprache in seiner Heimat umso mehr geschätzt werden, als das algerische Fernsehen staatlich kontrolliert ist."

 

  • Kamel Daoud, Minotaurus 504. Vier Erzählungen. Aus dem Französischen von Sonja Finck. 96 Seiten, Hardcover. persona verlag, Mannheim 2012. 12,50 Euro

 

 

(mr)

 

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