Der mit 30 000 Euro dotierte Rainer Malkowski-Preis geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die Schriftsteller Christoph Meckel und Lutz Seiler. Die von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste vergebene Auszeichnung zählt zu den höchstdotierten Literaturpreisen Deutschlands. Der seit 2006 im Zwei-Jahres-Rhythmus vergebene Preis soll deutschsprachige Literatur fördern und ist nach dem 2003 verstorbenen Lyriker Rainer Malkowski benannt. Die Preisverleihung findet am 6. Dezember in der Münchner Residenz statt.
Diese jüngst von der dpa verbreitete Meldung, wie auch eine andere Meldung dieses Jahres, nämlich dass Meckel seinen schriftstellerischen Nachlass an das Literaturarchiv Marbach übergeben hat (das, ganz aktuell, einen weiteren wichtigen Neuzugang zu verzeichnen hat: ca. 600 Briefe Ilse Aichingers an ihre Zwillingsschwester Helga Michie), sind Anlass genug, auf einige der zuletzt erschienenen Bücher Meckels hinzuweisen, und auf eines, das aus den 70er Jahren stammt, aber auch in diese Reihe gehört.
Zuerst das neueste - so neu, dass es erst noch erscheint, in zwei Wochen genau. Es passt in jeden Nikolausstiefel.
Dunkler Weltteil
"Wenn die Götter aus Busch und Savanne vertrieben wurden, fanden sie Zuflucht bei jenen, die sie in Sprache, Bild und Musik beschworen."
Christoph Meckel
"Über Afrika hat Christoph Meckel selten geschrieben. Fast ein halbes Jahrhundert nach seinen Reisen per Anhalter und als Straßenläufer gibt er seinen Erinnerungen Raum.
Es sind Bilder einer eigenen Härte und Heiterkeit, Blitzlichter, nachgetragene Dankbarkeit, Erkundungen an den Rändern von Furchtbarem, von Beeindruckung und Gelächter. In einem Gedicht wie „Die Savannen“, das er seiner Prosa einfügt, sind die Unvereinbarkeiten eingeschmolzen. Meckel erzählt auch von seinen Begegnungen mit Bildhauern und Dichtern wie Christopher Okogbo und Amos Tutuola in Ibadan, auch mit Aimé Césaire und Léon Damas in den Tagen jenes einzigartigen „Festival des Arts Nègres“, zu dem der Staatsmann und Dichter Léopold Senghor 1966 nach Dakar lud.
Von besonderem Gewicht bleibt seine Freundschaft mit dem „Forschenden, Erkennenden, Bewegenden und Richtungweisenden“ Ulli Beier, die in Oshogbo begann. Dort förderte der einst aus Deutschland vertriebene Beier zusammen mit Susanne Wenger die Entwicklung der nigerianischen Kunst und wurde seit den 80er Jahren als Gründer des Iwalewa-Hauses von Bayreuth aus zum Vermittler außereuropäischer Kultur."
(Text: Libelle Verlag)
- Dunkler Weltteil. Erinnerung an afrikanische Zeit. Mit Graphiken des Autors. 112 Seiten, Klappenbroschur, Fadenheftung. Libelle Verlag, Lengwil 2012. 16,90 Euro - erscheint am 1. Dezember 2012
Russische Zone
"Christoph Meckel ruft sich Bilder zurück, die dem Zehnjährigen fürs Leben bezwingend wurden. Ein Weiterleben nach den Bombenangriffen, im Haus der Großeltern in Erfurt: von der kurzen Präsenz
der Amerikaner und der längeren Besetzung durch die Russen bis hin zur abenteuerlichen Flucht mit der Mutter über die grüne Grenze im Sommer 1947.
Ein Kind im Nachkriegsalltag zwischen anarchischen Freiräumen, unvorhersehbaren Unglücken und dem Zwang der Besatzer; mit überforderten Erwachsenen, die mit Flüchtlingen, dem Eindringen der
»Razzia« und den Deportationen zurechtkommen müssen. Noch in den Szenerien des Schreckens regt sich die Utopie eines freieren Daseins.
Auf den letzten Seiten setzt der Autor seine Erinnerungen auf eine neue Spur: die seiner Aneignung russischer Dichtung (»Nachricht für Baratynski«), in deren Mitte er seine Begegnung mit Paul
Celan als Übersetzer von Jessenin, Blok und Mandelstam im Paris der 50er Jahre rückt."
- Russische Zone. Erinnerung an den Nachkrieg. Mit Graphiken des Autors. 112 Seiten, Französische Broschur, Fadenheftung. Libelle Verlag, Lengwil 2011. 16,90 Euro
Hier wird Gold gewaschen
"Ein aufschlussreicher und bewegender Text, der mit dem Grab in Staufen und jener Breisgauer-Gegend beginnt, in der Peter Huchel seine letzten Jahre verbrachte; und der noch lange nicht
endet in der Mark Bandenburg, die seine Lebenslandschaft blieb und zu Bildern in seinen Gedichten wurde, mit ihren Wasserläufen, ihrem Licht und den Verwunderungen der
Geschichte:
Hier wird Gold gewaschen
und auf zerbrochene Ziegel geschüttet.
Christoph Meckel geriet als Vierzehnjähriger in den Bann der Worte und Sprachbilder von Peter Huchels Gedichten. Den um drei Jahrzehnte älteren Huchel kannte er da schon: Sein Vater
Eberhard Meckel hatte mit Huchel in der Berliner Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz gewohnt, und beide waren mit Günter Eich befreundet. Dichterfreundschaften, die in der Diktatur hielten und
nach Kriegsende schwieriger wurden.
"Andere Lyriker verfügten über Vokabular, Peter Huchel war im Besitz eines Wortschatzes". Von Berlin (West) aus, wo Christoph Meckel seit den späten 50er Jahren lebte, begann seine lebenslange
Freundschaft mit Peter Huchel. Besuche unter den Augen der Stasi. Huchel – als Chefredakteur von Sinn und Form in der frühen DDR deren eigensinnigster und umsichtigster Literaturkritiker
– wurde nach dem Mauerbau von den Machthabern aus seinem Amt gedrängt, überwacht und in einer zerstörerischen Isolation gehalten. Erst 1971 wurde ihm die Ausreise in den Westen erlaubt.
Erinnerungen an Gespräche und geteilte Stille in Wilhelmshorst, Berlin, London und Staufen, ein wechselweiser Tausch aus dem Weltgedächtnis der Dichtung. Erinnerung auch an Feigheiten von
Zeitgenossen und an widerständigen Mut, als Literatur mit den Ideologien eines geteilten Landes zurechtkommen musste. Aus all dem wird die Figur des Dichters, des literarischen Zeitgenossen und
die Besonderheit des Menschen Peter Huchel eindrücklich konturiert. Auch seine späten Erfolge und sein Verstummen.
Ein Erinnern, das den Finessen seiner Versbewegungen und seines Wortschatzes nachgeht, die Magie seiner Gedichte gegen vorschnelle Festschreibungen verteidigt, und mit gleicher Eindringlichkeit
die politische Verstörung einer Epoche aufruft.
Christoph Meckels Erinnerungsstil ist entschieden und setzt den Leser dennoch frei: die poetisch verdichtete Prosa eines Autors, der gegen die Drift gesellschaftlicher Vergesslichkeiten die
eigenen Bilder setzt."
- Hier wird Gold gewaschen. Erinnerung an Peter Huchel. Mit Graphiken des Autors. 80 Seiten, Französische Broschur, Fadenheftung. Libelle Verlag, Lengwil 2009. 14,90 Euro.
Wohl denen die gelebt
"Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Tod der Dichterin erinnert sich Christoph Meckel. Die grande dame der deutschen Nachkriegsliteratur hatte Texte des jungen Lyrikers gelesen und ihm geschrieben.
Irgendwann hielt er am Bollschweiler Familiensitz der Kaschnitz zu einem Besuch. Ein Sommermittag im Schlosspark. Sie lud ihn ein, wieder zu kommen.
Bei späteren Besuchen, auch in Frankfurt und Rom, wurde ein Gespräch weitergeführt über Dichtung, schöpferische Phantasie, über Auden, Fellini, Prévert. Sie erzählte ihm von Begegnungen mit Celan
und Huchel, er gab ihr Auskunft über Bobrowski. Sie ließ sich vorlesen, und er erlebte fasziniert, wie sie in ihrem Spätwerk eine radikalere Prosa ausformte.
Ein Austausch von unterschiedlichen Lebensformen her. Und bis in die Gelassenheit gemeinsamen Schweigens am Ausgang der Biographie von Marie Luise Kaschnitz. Vielleicht ist es die eigene Nähe zu
jenem Lebensalter, die nun Christoph Meckels Erinnerungen eine besondere Tiefenschicht mitgibt. Ein Erinnern, das an die Utopie der Leidlosigkeit rührt und auch an eine Trostbedürftigkeit des
Menschen, von der die Kaschnitz wusste, dass Literatur ihr aufhelfen kann.
In leichten und dichten Erzählbildern gelingen Christoph Meckel Vergegenwärtigungen in der Landschaft, die wir aus Kaschnitz-Texten kennen: in einer Sprache, die das gemeinsame Vergnügen an
Zaubersprüchen bewahrt, dem Befremdlichen nachgeht, Worte für Distanz und Einverständnisse findet und einen fortdauernden Respekt bezeugt. Erinnerung an eine Dichterin, die lesenswert bleibt."
(Texte: Libelle Verlag)
- Wohl denen die gelebt. Erinnerung an Marie Luise Kaschnitz. Mit Graphiken des Autors. 64 Seiten, Französische Broschur, Fadenheftung. Libelle Verlag, Lengwil 2008. 16,90 Euro
Das Werk Christoph Meckels ist vor allem im Hanser Verlag erschienen (weitere Veröffentlichungen u. a. bei zuKlampen!, in der leider nicht mehr bestehenden Eremiten-Presse, bei Merlin, im Waldgut Verlag).
In die Reihe der hier vorgestellten Erinnerungsbücher gehört unbedingt die Erinnerung an Johannes Bobrowski (1917-1965, an den man auch wirklich immer erinnern muss, damit er nicht vergessen wird), die zum ersten Mal (1978) in der Eremiten-Presse in Düsseldorf erschien und von Hanser wiederaufgelegt wurde.
Ein schönes Buch, eine Ehrenbezeugung und Freundschaftserklärung von Kollege zu Kollege, wie sie vielleicht nicht häufig anzutreffen ist.
- Erinnerung an Johannes Bobrowski. Mit drei Veduten des Autors. 72 Seiten, Paperback. Hanser Verlag, München 1989. 9,90 Euro
Hier geht's zur Website des Libelle Verlags.
(mr)
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