E. E. Cummings - Eva Hesse - Langewiesche-Brandt - C. H. Beck

Umschlag des ersten Cummings-Buchs bei Langewiesche-Brandt (1958). Foto: Marion Morehouse
Umschlag des ersten Cummings-Buchs bei Langewiesche-Brandt (1958). Foto: Marion Morehouse

Kristof Wachinger (Jg. 1930), früherer Verleger des Langewiesche-Brandt Verlags in Ebenhausen bei München, hat sich hingesetzt und etwas über die vier Bücher von E. E. Cummings geschrieben, die unter seiner Ägide in den Jahren 1958, 1971, 2000 und 2005 bei Langewiesche-Brandt erschienen sind. Es ist ein lebendiges Stück Rezeptionsgeschichte, das hier, aufgeteilt in zwei 'Lieferungen', zu lesen ist.

Dank an den Verleger! urmel

 

E. E. Cummings - Eva Hesse - Langewiesche-Brandt - C. H. Beck

 

von Kristof Wachinger

 

Nobody wears a yellow

flower in his buttonhole

he is altogether a queer fellow

as young as he is old

 

Niemand trägt eine gelbe

blume im knopfloch

und überhaupt ist derselbe

ein kauz so jung wie alt

 

Das war der Beginn der Cummings-Rezeption in Deutschland. (Aus unserer Perspektive. 1954 war der Roman-Bericht The Enormous Room auf deutsch erschienen, das hatten wir nicht bemerkt.)

Obiges ist die erste Strophe eines der Cummings-Gedichte, die uns im Jahr 1957 Paridam von den Knesebeck zu lesen gegeben hat. Der und seine Frau Dorothee waren befreundet mit der schon damals bekannten Übersetzerin Eva Hesse und ihrem Mann Michael O'Donnell. O'Donnells lebten in München, Knesebecks in Ebenhausen, im Haus Langewiesche, wo nach dem Krieg ein paar noch nicht wieder richtig sesshaft Gewordene Wohnung gefunden hatten.

 

Ein richtig moderner Autor

 

Beide Knesebecks waren Verlagsvertreter. Sie waren uns, dem damals jungen Verlegerpaar Kristof und Helga Wachinger, wohlgewogen. Sie sagten: Euer ehrwürdiger Verlag Langewiesche-Brandt sollte mal einen richtig modernen Autor haben.

Ein solcher war Edward Estlin Cummings damals. Inzwischen ist er ein "Klassiker der Moderne".

 

Wir Wachingers kamen mit O'Donnells in Verbindung, und nun entstand das erste Buch Cummings-Gedichte.

Ein Losungswort wurde die Formel, die der Autor, wie es scheint, zu Beginn aller oder vieler seiner Lesungen sprach:

 

 

the poems to come are for you and for me

and are not for mostpeople

 

diese gedichte sind für dich und für mich

und nicht für meisteleute

 

(Später formulierte Eva Hesse die zweite Zeile pointierter: für meisteleute sind sie nichts.)

 

Das Buch E. E. Cummings: Poems - Gedichte erschien 1958. Der Autor hatte sich ausbedungen, so oft Korrekturabzüge zu erhalten, bis er zufrieden wäre. Er war es dann mit einem einzigen, denn ich, gelernter Schriftsetzer, hatte die Eigentümlichkeiten seiner Typografie verstanden und beachtet.

Das Buch war in ein heute nicht mehr gefertigtes Einbandgewebe gebunden: "Farolin". Die Längsfäden schwarz, die Querfäden weiß. Es sah aus wie ein Anzugstoff. Das Rückenschild war gelb. Gelbe Blume im Knopfloch. Neben der gebundenen gab es eine broschierte Ausgabe.

Sollen wir noch ein bisschen nostalgisch von diesem Buche schwärmen? Nein. Vielmehr soll berichtet sein, dass von da an mehrere Auflagen erschienen, zunächst ein Nachdruck, dann eine überarbeitete Neuausgabe, von 1982 an als textura-Band (Englische Broschur). Eine erweiterte Neuausgabe kam 1994.

 

 

And eyes big love-crumbs

 

Ein paar ihrer Übersetzungen hat die große Eva gelegentlich nachgebessert. Um eine nicht gemachte Änderung tut es mir immer noch leid, in einem der berühmtesten Liebesgedichte des Autors:

 

i like my body when it is with your

body.    It is so quite new a thing

 

ich mag meinen körper wenn er bei deinem

körper ist.    er ist so ganz was neues.

 

Darin heißt es, nach anderen Lobpreisungen der Geliebten

 

And eyes big love-crumbs

 

Eva Hesse sagt:

 

Und augen, große liebes-krümel

 

Ich fand 1958 und finde noch 2012, dass dies nicht schön, also auch nicht richtig ist. Krümel sind was Kleines, Eckiges, Trockenes (vgl. Schülermund nach Goethe: "Wer nie sein Brot im Bette aß / weiß nicht, wie Krümel pieken"). Augen sind was Großes, Rundes, Blankes. Mit dem Vorschlag Klunker konnte Eva Hesse sich nicht anfreunden, Jahrzehnte hindurch nicht. Heute würde ich vielleicht Kugeln ins Gespräch bringen, im Gedanken an Christbaumkugeln, die groß, rund und blank sind. Aber ich bin nur noch Altverleger.

 

Verächter des Kommunismus

 

Eva Hesse steht übrigens ihrem Autor, d.h. der historischen Person Cummings, recht kritisch gegenüber. U. a. deswegen, weil er als heftiger Verächter des Kommunismus (dessen Alltagswirklichkeit er in Russland 1931 beobachtet hat) den antikommunistischen Übereifer des Senators McCarthy guthieß. Sie hat dies in ihren Nachworten zu den verschiedenen Ausgaben mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht.

(Der McCarthy-Antikommunismus war gewiss fürchterlich. Aber nach 1989 sind manche, die den Kommunismus jahrzehntelang grundsätzlich oder teilweise in Schutz genommen haben, in die Nähe des Kommunismus-Kritikers Cummings gerückt.)

 

Ferner sagt Eva Hesse, Cummings sei nicht so sehr ein Neuerer gewesen, wie er selber und seine Verehrer meinten. Er, der in mehreren Literaturen Bewanderte, sei vielmehr ein später Gestalter. Das mag man wohl in Betracht ziehen. Überhaupt sind viele Gedanken in Eva Hesses Nachwort beachtlich. Niemand in Deutschland weiß mehr über diesen Autor und hat gründlicher über ihn nachgedacht als Eva Hesse.

 

 

Dreißig Gedichte

 

Eva Hesse und ihr Ehemann und Mitarbeiter Mike O'Donnell sagten immer: Es gibt dreißig Gedichte von Cummings, die ganz große Weltklasse sind. Die bringen wir.

In unserem ersten Band standen 28. In der Ausgabe von 1994 stehen 42. Es waren also im Lauf der Jahre ein paar dazugekommen, darunter zwei erotische, die wir 1958 zu gewagt gefunden hatten, und zwei typografische Spielfiguren.

 

[Fortsetzung folgt]

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