Adelbert von Chamisso-Preis 2013 für Marjana Gaponenko, Matthias Nawrat und Anila Wilms

 

"Marjana Gaponenko erhält den mit 15.000 Euro dotierten Adelbert von Chamisso-Preis 2013. Mit ihrem Roman Wer ist Martha? (Suhrkamp Verlag) habe Marjana Gaponenko einen "neuen, aufregenden Ton" in die deutschsprachige Gegenwartsprosa gebracht, so die Jury. Die diesjährigen Förderpreise in Höhe von jeweils 7.000 Euro gehen an Matthias Nawrat für seinen Roman Wir zwei allein (Verlag Nagel & Kimche) und an Anila Wilms für ihr deutschsprachiges Debüt Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens (Transit Verlag). Mit dem Adelbert von Chamisso-Preis ehrt die Robert Bosch Stiftung herausragende Beiträge zur deutschsprachigen Literatur von Autoren, deren Werk von einem Sprach- oder Kulturwechsel geprägt ist. Der Preis ist damit der einzige seiner Art in Deutschland. Die Auszeichnungen werden am 28. Februar 2013 in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz verliehen. Am 1. März 2013 lesen die Preisträger im Literaturhaus München aus ihren Werken."

(Pressemitteilung der Robert Bosch Stiftung; diese ist auch Quelle für die nachfolgenden bio-bibliographischen Angaben zu den Preisträgern)

 

Marjana Gaponenko, 1981 in Odessa (Ukraine) geboren, studierte dort Germanistik und lebt heute in Mainz. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr schreibt sie auf Deutsch. In ihrem Roman Wer ist Martha? erzählt sie die skurrile Geschichte des 96-jährigen Lemberger Ornithologen Luka Lewadski, der seine letzten Wochen in einem Wiener Grandhotel verbringt und damit an den Ort seiner Jugend zurückkehrt. Ein Konzertbesuch im benachbarten Musikverein und eine verrückte Nacht in der Hotelbar werden zu letzten Höhepunkten seines langen Lebens. Marjana Gaponenko zeichne "ein ungewöhnliches Panorama der mitteleuropäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts", heißt es in der Begründung der Jury. Mit "Wer ist Martha?" gelinge ihr "eine ebenso zärtliche wie komische Feier der Schönheit des menschlichen Lebens".

 

Für zehnseiten.de hat Marjana Gaponenko aus ihrem Roman gelesen. (Bei Anklicken eines der Buchcover öffnet sich die Suchfunktion.)

Einen Ausschnitt aus der Lesung gibt es bei YouTube (s. u.).

Ein weiteres Video, in dem Gaponenko über ihr Buch spricht, kann auf der Website des Suhrkamp Verlags angesehen werden, dort auch Pressestimmen, Veranstaltungstermine etc.

 

  • Marjana Gaponenko, Wer ist Martha? Roman. 238 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 19,95 Euro

 

Matthias Nawrat, geboren 1979 in Opole/Oppeln (Polen), zog 1989 mit seiner Familie nach Bamberg. In Heidelberg und Freiburg im Breisgau studierte er Biologie. Nach Stationen u. a. im schweizerischen Biel lebt er heute in Berlin. Matthias Nawrat wird für seinen ersten Roman Wir zwei allein geehrt, der "auf sprachlich raffinierte Weise eine Geschichte von der Liebe und der Einsamkeit in unserer multioptionalen und deshalb oft überfordernden Epoche erzählt", so die Jury. Sein in der Region um Freiburg angesiedelter Roman schildert "die Beziehung zwischen zwei zaghaft nach Orientierung suchenden Menschen. Romantische Vorstellungen von der Liebe wiegen die Akteure in trügerischen Idyllen, auf welche die Realität keine Rücksicht nimmt."

 

Zu Matthias Nawrat siehe auch den Hotlist-Blog-Beitrag über die 36. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt (10. Juli 2012), mit einer knappen Zusammenfassung des Romans.

 

Hier, in Auswahl, die Stimme der Kritik:

 

"Matthias Nawrat skizziert einen Liebeskosmos, der einnimmt und berührt. Der Autor schafft es, Präzision mit Poesie zu verknüpfen. Noch selten hat ein Debütant so wenige Zeilen gebraucht, um einen Charakter derart lebendig darzustellen. Matthias Nawrat ist, daran besteht überhaupt kein Zweifel, ein begabter Autor." Sandra Leis, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 25.03.12

 

"Der Roman bewahrt seine hochverdichtete Sprache: Mit lakonischer Sentimentalität und in einem konzis-konzentrierten Tonfall erinnert er passagenweise an die Prosa von Robert Walser." Bernd Zabel, Tagesspiegel, 09.09.12

 

"Das ist keine Kitschromanze. Dafür ist es viel zu ironisch gemacht. Ein wunderbares Debüt." Jan Drees, Westdeutscher Rundfunk, 05.04.12

 

  • Matthias Nawrat, Wir zwei allein. Roman. 192 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Nagel & Kimche, Zürich 2012. 17,90 Euro (zum Preis von 13,99 Euro auch als eBook erhältlich)

 

Anila Wilms, geboren 1971 in Tirana (Albanien), studierte dort Geschichte und Philologie. 1994 kam sie nach Berlin, wo sie seitdem lebt. Anila Wilms wird für ihren in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts spielenden Roman Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens ausgezeichnet, der laut Jury "eine exotisch-burleske Episode aus der Geschichte des jungen albanischen Staates als Politkrimi" erzählt. Ihr von einfachen Menschen aus dem Volk, gewieften Diplomaten und mehr als dubiosen Politikergestalten bevölkerter Text könne auch als "literarisch überzeugendes Gleichnis für den heutigen Zustand Albaniens" gelten.

 

"Zwei junge Amerikaner werden in den frühen zwanziger Jahren auf einer Brücke in den nördlichen, schwer zugänglichen albanischen Bergen ermordet. Drei Hirten beobachten die Tat, ein deutscher Ingenieur transportiert die beiden Toten und ihren schwerverletzten albanischen Fahrer auf seinem Lastwagen nach Tirana.

Dort bricht hektische Aktivität aus: In den Cafés diskutieren die Journalisten über das Motiv des Mords, der US-Botschafter vermutet einen Anschlag konkurrierender Geheimdienste aus England oder Italien auf amerikanische Öl-Interessen und lässt ein Kriegsschiff kommen, im albanischen Parlament werden innenpolitische Fehden über die Ursachen und Folgen des Anschlags mit Waffen ausgetragen, der Polizeichef lässt die angeblichen Täter erschießen und ihre Leichen auf dem Markt in Tirana ausstellen, und während des Trauergottesdienstes für die toten Amerikaner kommt es in Tirana zum showdown zwischen dem albanischen Kriegsminister und dem Bischof. Am Ende klärt sich der Mord auf: Es war eine Verwechslung, allerdings mit geheimnisvollen Umständen garniert. Und das albanische Öl?

Eine verrückte Geschichte, die tatsächlich passiert ist und weltpolitische Folgen hatte."

(Text: Transit Verlag)

 

Die Juroren des Adelbert von Chamisso-Preises 2013 sind: Gregor Dotzauer (Literaturkritiker), Zsuzsanna Gahse (Schriftstellerin, Chamisso-Preisträgerin 2006), Michael Krüger (Schriftsteller und Verleger), Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann (Präsident des Goethe-Instituts), Denis Scheck (Literaturkritiker), Dorothea Westphal (Literaturkritikerin) und Feridun Zaimoglu (Schriftsteller, Chamisso-Preisträger 2005). Medienpartner ist Deutschlandradio Kultur.

 

Herzlichen Glückwunsch an Marjana Gaponenko, Matthias Nawrat und Anila Wilms, und den Lesern ihrer Bücher viel Freude!

 

 

 

 

(mr)

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